Vom Wikipedia-Artikel Saarland (1947–1956) folgte ich einem Link mit der Beschreibung 50. Jahrestag der „Saar-Abstimmung“ zum Saarländische Rundfunk (SR), doch statt Informationen zu diesem wichtigen Ereignis der deutschen Geschichte zu finden, wurde ich mit Folgendem konfrontiert:
Warum Sie nicht mehr finden, was Sie suchenDem SR ist hier kein Vorwurf zu machen, denn anders als manche öffentlich-rechtlichen Internetseiten geht er in vorbildlicher Weise mit diesem Zwang um, indem er den Nutzern erläutert, warum die Inhalte nicht mehr vorhanden sind, statt kommentarlos festzustellen, dass dem so ist.
Nach dem Willen des Gesetzgebers darf der SR nur einen Teil seiner Online-Inhalte unbefristet im Netz anbieten. Für den Rest gelten verbindliche Fristen nach dem Verweildauerkonzept…
Der Grund ist nicht mehr und nicht weniger als die gewaltsame Beschädigung des kollektiven Gedächtnisses durch einen amoklaufenden Gesetzgeber, der Mittel, die dem Auftrag der Grundversorgung dienen sollen, dazu missbrauchen lässt, durch Löschen von Inhalten exakt diesem Auftrag zuwider zu handeln.
Was sich hinter dem Euphemismus »Depublizieren« verbirgt ist nichts anderes als eine virtuelle Bücherverbrennung mit dem Ziel, die Bürger unmündig zu halten, indem man ihnen einen einfachen Zugriff auf Informationen verweigert, die den Mächtigen vielleicht eines Tages vorgehalten werden könnten. Die eigentliche Zielsetzung der öffentlich-rechtlichen Sender besteht aber gerade darin, die Ziele der Aufklärung zu fördern. Aber was ist Aufklärung eigentlich?
Immanuel Kant schrieb dazu 1784 das Essay »Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?«, dessen Lektüre auch nach über 200 Jahren noch empfehlenswert ist.
AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen…Dieser Gebrauch des Verstandes erfordert, dass der Mensch in die Lage versetzt wird, in Kenntnis der relevanten Fakten zu Schlüssen zu gelangen, nicht aber basierend auf einem verfälschten Abbild der Realität. Das hindert den Menschen zwar nicht daran, die Fakten zu ignorieren, doch ihm die Informationen bewusst vorzuenthalten, ist eine Kriegserklärung an die Ziele der Aufklärung.
Aufklärung stellt weder kollektiv noch individuell betrachtet einen einmaligen Vorgang dar. Auf Ebene einer Gruppe gesehen ist jedes Neugeborene zunächst ein nicht aufgeklärtes Individuum, das der Aufklärung bedarf, damit die Gruppe als Ganzes dauerhaft aufgekärt bleibt. Auf individueller Ebene ist Aufklärung ein permanenter Prozess und Aufgeklärtheit ein Zustand, um dessen Weiterbestehen jeden Tag gerungen werden muss, will man ihn nicht verlieren.
Was beide Aspekte angeht muss man etwa beim Bildungssystem und den Fernsehprogrammen – privaten wie öffentlich-rechtlichen – nicht nur Defizite sondern sogar eine Entwicklung in eine völlig falsche Richtung konstatieren.
Was hat dies nun mit den Piraten zu tun? Hierzu ein Auszug aus der Präambel des Grundsatzprogramms der Piratenpartei Deutschland:
Informationelle Selbstbestimmung, freier Zugang zu Wissen und Kultur und die Wahrung der Privatsphäre sind die Grundpfeiler der zukünftigen Informationsgesellschaft. Nur auf ihrer Basis kann eine demokratische, sozial gerechte, freiheitlich selbstbestimmte, globale Ordnung entstehen.Wie oben dargelegt ist der freie Zugang zu Wissen und Kultur nicht nur ein notwendiger Grundpfeiler einer zukünftigen Informationsgesellschaft sondern ein Eckpfeiler jeder aufgeklärten Gesellschaft, ohne den diese überhaupt nicht denkbar ist. Wer – ganz gleich aus welcher Motivation heraus – eine Einschränkung dieses Zugangs fördern, stellen sich gegen die Errungenschaften der Aufklärung und sollte mit allen zu Gebote stehenden Mitteln bekämpft werden.
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