Freitag, 14. September 2012

Beschneidungskompromiss

Heute schreibe ich einen langen Beitrag zu einem emotionsgeladenen Thema, nämlich der durch das Kölner Urteil verursachten Beschneidungsdebatte.

Bis zu diesem Urteil habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, was eine Beschneidung ganz konkret bedeutet und sah nie irgendeinen Grund, diese uralte Tradition in Frage zu stellen. Das Urteil war für mich der Auslöser, mich mit den konkreten Auswirkungen zu beschäftigen und seit diesem Zeitpunkt bin ich innerlich gespalten.

Einerseits will ich, dass Juden weiterhin ihrer Tradition folgen können, andererseits lehne ich aber eine Beschneidung ab, für die der Betreffende nicht selbst sein Einverständnis in dem Wissen erklärt hat, was sie für ihn bedeutet. Dafür ist dies ein in meinen Augen viel zu gravierender Eingriff.

Heute wurde mir bewusst, dass es ein Thema mit ähnlich unversöhnlichen Fronten gibt: den Schwangerschaftsabbruch. Allem Streit zum Trotz wurde dort ein Kompromiss in Form einer Fristenlösung mit Beratungspflicht gefunden. Die Idee hinter der Beratungspflicht ist, der Mutter alle Möglichkeiten aufzuzeigen, die sie in ihrer Situation hat, und welche Folgen diese mit sich bringen.

Ich schlage nun vor, diesen Ansatz auf die Beschneidung zu übertragen. Es besteht unter den Befürworter einer straffreien Abtreibung weitgehende Einigkeit, dass der Eingriff nur von geschulten Personen unter klinischen Bedingungen und Betäubung durchgeführt werden soll.

Zu einem solchen medizinischen Eingriff gehört immer auch eine Aufklärung über seine möglichen Folgen. Ich bin dafür, diese Aufklärung um zwei wesentliche Aspekte zu erweitern.

  • Eine vollständige Aufklärung darüber, welche positiven medizinischen Auswirkungen der Eingriff haben wird und welche behaupteten Vorteil in Wirklichkeit nicht existieren. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass der Eingriff nicht aufgrund einer medizinischen Indikation erfolgt.
  • Eine Aufklärung über die Alternativen zur Zirkumzision. Hierzu zählen sowohl weniger gravierende Beschneidungsarten als auch alternative Riten.
Faktisch fordere ich damit, dass es für Ärzte eine Spezialisierung zum Facharzt für jüdische Beschneidungen bzw. Facharzt für islamische Beschneidungen geben soll, da sich beide Religionen in den religiös zulässigen Beschneidungsalternativen unterscheiden und beide Religionen auch unterschiedliche Anforderungen an den Ablauf der Beschneidung stellen.

Wenn sich die Eltern nach einer solchen ausführlichen Beratung immer noch für eine Zirkumzision oder eine der weniger gravierenden Beschneidungsarten entscheiden, sollte diese straffrei sein.

Bei einer solchen Regelung müssten beide Seiten Abstriche von ihren Maximalforderungen machen doch erscheint sie mir als eine gangbarer Weg um zu einem Ausgleich zwischen dem Recht des Kindes und dem der Eltern zu gelangen. Vielleicht ist es sogar der einzige, der diesen Konflikt auf für beide Seiten halbwegs akzeptabel auflöst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen